Hier berichtet unser Mitarbeiter Alexander Müller von einer Schulfahrt der DSX:
Im August 2022 fuhr ich mit acht Schüler*innen und fünf Mitarbeiter*innen der DSX zum Summerhill Festival of Childhood, es war gleichzeitig die jährliche IDEC und EUDEC-Konferenz. Wir fuhren 20 Stunden in einem Reisebus zusammen mit Schüler*innen und Mitarbeiter*innen der Freien Schule Leipzig und der Netzwerk-Schule Berlin. Das Festivalgelände war in der Nähe der geschichtsträchtigen Summerhill School in Leiston, Suffolk, UK.
Summerhill ist die älteste Demokratische Schule der Welt — das Festival markiert das hundertjährige Jubiläum. Die Schule nutzt allerdings „erst“ seit 1927 den heutigen Standort in Leiston, Suffolk, im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland. Vorher war sie zeitweise auch in Dresden – wo ich übrigens sechs Jahre gelebt und Lehramt studiert habe. Zur Geschichte verweise ich auf den Wikipediaartikel der Schule und auf das Buch Geschichte der Demokratischen Schule von Karl Geller. Also zurück zum Festival:
Das Festival war als Open Space organisiert, d.h. jede*r konnte Workshops/Vorträge/Spiele/etc. selbständig in den Zeitplan eintragen. Der Zeitplan war leider nur digital verfügbar, was die Sichtbarkeit und die Zugänglichkeit für Kinder und Jugendliche erschwert hat. Ich finde es besser, wenn der Zeitplan nur analog auf einer großen Tafel entsteht, und wenn diese Tafel zum Beginn der Konferenz komplett leer ist. Wir haben uns im Open Space eingebracht, Kollegin Stella mit „Leaving the box: our individual paths from democratic to international schools“ und „DemEd and political practice – Discussing how democratic schools can and should work towards political and social change“. Außerdem haben Kollege Malte und Lilas eine Austauschrunde zu Sexueller Bildung gemacht.
Und auch ich habe eine Austauschrunde initiiert: „Makerspaces: play, tinker, save the world! …now also in public schools“. Einige erfahrene Maker waren dabei, und einige die den Begriff noch nie gehört hatten. Ich wollte zeigen, dass die Makerkultur sich mit der von Demokratischer Bildung deckt, und dass Makerspaces das potential haben, auch an staatlichen Schulen Räume zu schaffen, in denen junge Menschen selbstbestimmt ihre Ideen umsetzen können, dabei Selbstwirksamkeit erleben, eine positive Fehlerkultur erfahren, und eine Menge lernen — ganz ohne Druck und Noten.
Wir haben gezeltet, für Verpflegung sind wir eine Stunde zu Fuß zum Supermarkt gelaufen oder haben uns an Essensständen versorgt. Das Meer war nur 30min mit dem Fahrrad entfernt, die Schule hat natürlich einen Badeausflug gemacht, allerdings war das Atomkraftwerk am Strand eher ein unschöner Anblick =)
Highlights waren für mich:
Don Berg: Nach seinem Vortrag bin ich nun auch überzeugt, dass es eine groß angelegte Studie an Regelschulen und allen möglichen anderen Schulen (inkl. demokratischen Schulen) braucht, die folgendes misst:
- Wie und wann Schüler*innen intrinsisch motiviert Dinge tun
- Schüleraktivität (Englisch „agentic engagement“, siehe hier und hier)
- Wie gut ihre psychischen Bedürfnisse erfüllt werden
Denn die Verbindung dieser Faktoren mit Lernerfolg und späteterem beruflichen Erfolg ist bereits nachgewiesen (habe leider gerade keine Quelle zur Hand). Nun gilt es zu zeigen, dass diese Faktoren durch selbstbestimmte Bildung am besten umgesetzt werden. Diese Daten sind nötig für weitere Entwicklungsschritte in der Bildungslandschaft.
Peter Gray: ich habe schon einige Vorträge von ihm gehört, finde es aber immer wieder beeindruckend mit welcher Klarheit und umfassendem Hintergrundwissen er aufzeigt, wie wir zu dem Schulsystem gekommen sind, dass heute vorherrscht, und wie die Menschheit die allergrößte Zeit ohne Schulen/Anleitung ausgekommen ist, und wie es psychologisch funktioniert dass sich Kinder in Freiheit und Selbstbestimmung am besten entwickeln und zu erfolgreichen erwachsenen werden. Sein Buch Befreit Lernen ist eine große Empfehlung von mir, und er bloggt regelmäßig auf Psychology Today.
Karl Geller – Geschichte der Demokratischen Schulen: Er hat aus seinen Buch vorgetragen und die Bewegung der demokratischen Schulen mit vielen anderen Personen und Bewegungen verknüpft, die ich teilweise noch nicht kannte (z.B. Janusz Korczak). Wie in jeder Bewegung, die etwas erreichen will, ist es wichtig, sich mit der Geschichte zu beschäftigten. In der Bewegung für Selbstbestimmte und Demokratische Bildung passiert das aktuell glaube ich nicht genug.
Livemusik: Es gab nachmittags Jamsessions und abends Livekonzerte, die wirklich unglaublich gut waren! Summerhill scheint einige tolle Musiker hervorzubringen, auch Henry Redhead, der Sohn der aktuellen Schulleitung Zoe Redhead, war am Schlagzeug dabei und heizte die Menge an.
Besuch der Summerhill School: Es war toll, durch die Räume einer Demokratischen Schule zu laufen, die es schon soooo lange gibt. Außerdem hatte ich schon einige Bilder im Kopf, von Fotos und aus diesem Film.
Es war sehr schön, viele Menschen aus ganz Europa wiederzutreffen, die ich schon von anderen EUDEC-Konferenzen kannte. Manche kenne ich nun schon seit 10 Jahren. Überhaupt ist der informelle Austausch und das freundschaftliche Miteinander wohl das schönste bei den EUDEC-Konferenzen. Vielen Dank an die Freie Schule Leipzig für die Organisation des Busses, und an alle Organisatoren und Freiwilligen vom Summerhill Festival of Childhood!!
Auf der Rückreise hatten wir einen vierstündigen Aufenhalt in London, den ich und unsere Schüler*innen in kleinen Gruppen für Entdeckertouren und Schlendern in der Weltstadt nutzten. Ja, die roten Telefonzellen und roten Busse gibt es immer noch 🙂
Die nächste IDEC wird in Nepal stattfinden (Datum steht noch nicht fest) und die nächste EUDEC in Bulgarien (erste Augustwoche 2023).