Unser Mitarbeiter Alexander Müller war im November 2022 bei der Konferenz Bildung Digitalisierung — hier könnt ihr seine Eindrücke nachlesen:
Die Konferenz Bildung Digitalisierung bringt verschiedene Bildungsakteure zusammen: Lehrer*innen, Schulleiter*innen, Politiker*innen, Anbieter von technischen Lösungen, Stiftungen und viele mehr. Die Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung ist für alle möglich, allerdings waren die Tickets schnell weg. Die Kosten werden von Stiftungen getragen, siehe https://www.forumbd.de/verein/ Ich war nun das dritte Mal auf dieser Konferenz. Das diesjährige Motto war “Taking Charge” (Verantwortung übernehmen).
Spannend fand ich, dass nun nicht mehr von „Digitalisierung“ sondern von einer „Kultur der Digitalität“ gesprochen wird. Denn unsere Realität ist bereits seit langer Zeit teilweise digital, das Digitale ist nicht wegzudenken, nichts würde ohne Informationstechnologie funktionieren. Die Frage ist also nicht mehr „Wie digitalisieren wir unsere Schulen?“ sondern „Wie machen wir Schule in einer Kultur der Digitalität?“
Ich habe Vorträge vom Land Bremen und vom Kanton Zürich gesehen, die im Bezug auf „Schule in einer Kultur der Digitalität“ auf einem guten Weg zu sein scheinen. Komisch fand ich, dass „Datenschutz“ immer negativ konnotiert wird, immer als Hindernis gesehen wird. Wenn jemand beschreibt, dass sie Microsoft Teams nutzen, wird immer lamentiert, dass man das in Deutschland ja nicht dürfe. Meine Meinung ist, dass die Datenschützer schon wissen werden, warum sie Microsoft & Google nicht in Schulen sehen wollen. Es sind US-Firmen, amerikanische Geheimdienste werden also immer einen Weg haben, auf diese Daten zuzugreifen, egal wo die Server stehen. Außerdem finde ich, dass öffentliche Gelder nur für Software ausgegeben werden sollte, deren Quellcode dann allen zur Verfügung steht, so dass alle davon profitieren können. Also „Public Money, Public Code“ – siehe auch die gleichnamige Initiative https://publiccode.eu/de. Wenn Anforderungen mit freier Software aktuell nicht umgesetzt werden können, müssen sie eben mit öffentlichen Geldern entwickelt werden. Das Kanton Zürich beschrieb z.B. dass es ihnen wichtiger war, ihre Anforderungen sofort umzusetzen statt freie Software anzupassen. Ich glaube nicht, dass das Kanton Zürich jemals wieder von Microsoft wegkommen wird. Das Land Bremen nutzt für Identitätsmanagement z.B. die freie Software Univention und ist damit sehr zufrieden, das finde ich einen Schritt in die richtige Richtung. Wir an der Demokratischen Schule X nutzen für Dateiablage, Kommunikation und Organisation die Lösung Nextcloud, gehostet bei https://www.qloc.de/, mit der wir aktuell zufrieden sind.
Mir wird immer mehr klar, dass Schüler*innen eigene Geräte brauchen (anfangs Tablet, später Laptop), sogenannte 1:1 Ausstattung. Entweder man macht es über BYOD (bring your own device, alle bringen eigene Geräte mit), oder die Schule stellt Geräte zur Verfügung (so im Kanton Zürich). An meiner Schule, der Demokratischen Schule X, haben wir leider aktuell nicht genug Geld für eine 1:1 Ausstattung, die Schüler*innen können sich aber in der Schule Tablets und Laptops ausleihen, auch für Angebote werden sie genutzt. Bisher kam es noch nicht dazu, dass jemand ein Gerät haben wollte und keins mehr da war. Aber es ist eben viel praktischer, wenn ich auf meinem eigenen Gerät meine ganzen Logins und Daten habe, und einige Einstellungen will ich vielleicht auch anders haben als es auf dem Gerät der Schule ist. Den Großteil unserer Mitarbeiter*innen konnten wir mit persönlichen Laptops ausstatten (mit quelloffenem Betriebssystem Linux Mint), die Rückmeldungen sind positiv.
Gefühlt gibt es immer mehr Anbieter*innen, die Coding und Making in die Schulen bringen, oder zumindest zu jungen Menschen im Freizeitbereich – toll! In Berlin gibt es die Jungen Tüftler*innen https://junge-tueftler.de/, bundesweit agiert https://www.makeyourschool.de, https://appcamps.de, https://www.digibits.de/materialbox und https://hacker-school.de, in Westdeutschland agiert https://coding-for-tomorrow.de. Ich selbst war im Makerspace der Klax-Kreativwerkstatt aktiv, die leider geschlossen wurde. An meiner Schule habe ich in Kooperation mit Kolleg*innen einen Makerspace aufgebaut. Schreibt mir, wenn ihr etwas bestimmtes sucht/wissen wollt, vielleicht kann ich helfen. Noch ein weiteres spannendes Projekt ist https://www.digital-sparks.org/#sparks – da geht es nicht um Coding sondern um Online-Workshops für Schulklassen zu brennenden Themen unserer Zeit, z.B. KI & Diskriminierung.
Es freute mich auf der Konferenz zu sehen, dass immer mehr Menschen klar ist: Es reicht nicht reicht, die Schule von gestern einfach digital zu machen. Also Stundenplan wie immer, Unterricht wie immer, nur dass das Arbeitsblatt digital ausgeteilt wird – das ist keine zukunftsfähige Bildung. Immer mehr Schulen brechen traditionelle Lehr-Lern-Settings auf und schaffen Raum für offenere Lernformen, die jahrgangsübergreifend angelegt sind und digital gestützt ablaufen. Beispiele dafür, die ich noch nicht kannte, sind die Richtsbergschule Marburg https://www.richtsbergschule.de und St.-Pius-Gymnasium https://www.piuscoe.de Auch immer wieder genannt wird die Alemannenschule Wutöschingen https://www.alemannenschule-wutoeschingen.de/. Meiner Meinung nach gehen diese Ansätze immer nicht weit genug. Als der Schulleiter vom St.-Pius-Gymnasium die zugegebenermaßen beeindruckende Transformation seiner Schule vorgestellt hatte, fragte er das Publikum, was sie noch verändern sollten. Ich schlug vor: „Anwesenheitspflicht im Unterricht abschaffen“. Der Saal lachte. Der Schulleiter deutete an, dass er sich das nur für bestimmte Schüler*innen vorstellen kann, die sehr motiviert sind. Es herrscht bei allen Anwesenden weiterhin das Mindset vor, dass man Kinder und Jugendliche zur Bildung notfalls zwingen muss, dann sonst wird aus ihnen nichts. Aber gut, ich finde eben Selbstbestimmte Bildung bzw. Demokratische Bildung am sinnvollsten, deswegen arbeite ich ja auch an einer Demokratischen Schule. Ich würde mir allerdings wünschen, dass mehr Schulen dieses Konzept umsetzen, vor allem auch staatliche Schulen, damit es für alle zugänglich wird.
Immer wieder inspirierend finde ich Diskussionen mit Marina Weisband, auch bei dieser Konferenz war sie dabei: https://www.youtube.com/watch?v=yU_fOmy2vOk Zum Beispiel sagte sie: „Schon wenn man an den kleinsten Schrauben des Bildungssystems drehen will, kostet es unendlich viel Kraft und scheint unmöglich – also können wir auch gleich an den großen Schrauben drehen, das kostet genauso viel Kraft“. Auch dieser Tweet entstand während der Diskussion:
Später sprach ich mit einer Konferenzteilnehmerin, die kritisierte, dass die Dringlichkeit zur Veränderung gar nicht spürbar sei. Wir wären in einer Krise, die sich aber nicht wie eine Krise anfühle. Laut ihr bräuchte es deutlich radikalere Stimmen wie z.B. eine „Letzte Generation Schule“, die fordert, dass sich Schulen endlich weiterentwickeln, dass endlich Schluss ist mit Bloßstellungen und Leistungsdruck und Ellenbogen-Mentalität. Von ihr erfuhr ich auch vom PxP Festival 2023 – „Schule feiert Zukunft“ 17./18. Juni 2023 im FEZ Berlin https://pxpfestival.com, das ganz schön vielversprechend aussieht.